Edi Wyss - McLaren, Sauber, Techno – ein Leben zwischen Aluminium, Abarth und Adrenalin (#88 & 164)
- Karsten Arndt
- 6. Okt. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Apr.
Von der McLaren-Werkstatt zur Ferrari-Restauration: Wie ein Schweizer Mechaniker zur grauen Eminenz des Motorsports wurde.

Wenn Edi Wyss spricht, klingt der Motorsport durch jede Silbe. Kein Pathos, keine Show – nur gelebte Geschichte. Zwei Folgen lang erzählt der Schweizer bei Alte Schule, was es heißt, den Rennsport nicht vom Podium aus zu erleben, sondern von der Werkbank. Von einem, der mit Bruce McLaren gearbeitet, mit Porsche geschraubt, für Sauber konstruiert und bei Ferrari selbst die Hände im Motorraum hatte.
„Ich war nie Fahrer – ich war Fan. Und später: Mechaniker mit Leidenschaft“, sagt Wyss. Was dann folgt, ist eine Zeitreise durch fünf Jahrzehnte Motorsport – voller Anekdoten, Ehrlichkeit und Liebe zum Detail.
Vom Fahrrad zur Formel 1
Alles beginnt mit einem Roller und einem Simca – mehr hatte sein Vater nicht. Edi träumt trotzdem früh von Autos und Technik. Er wird Feinmechaniker, schraubt in Zürcher Werkstätten an Abarths und Alfas. Die entscheidende Wendung kommt mit dem Wunsch, Englisch zu lernen – aus der Sprachreise wird ein Türöffner in die Welt von McLaren.
Dort landet Wyss Anfang der 1970er als Mechaniker, bekommt einen Platz in der Werkstatt und später die volle Verantwortung: Ein Formel-1-Auto mit Alfa-Motor aufbauen? „Du hast metrische Schlüssel, mach du das.“ Wyss konstruiert Aufhängungen, schweißt Monocoques – und sieht zu, wie Bruce McLaren jeden Abend persönlich kontrolliert, was entstanden ist.

„Wir haben alles selbst gemacht. Und das mit Herzblut.“
Ob Porsche 917, Ferrari 512 M oder der allererste Can-Am-McLaren – Wyss kennt die Innenseiten der Legenden. Bei Porsche in Zuffenhausen schweißt er 917-Rahmen, während Ferdinand Piëch durch die Halle läuft. Bei Ferrari baut er in Fiorano Autos auf, die später in Le Mans antreten.
„Bei Porsche trinkt man Bier, bei Ferrari Rotwein – das war der Unterschied."
Doch egal ob Le Mans, Targa Florio oder Can-Am – Wyss bleibt immer der Praktiker, der versteht, was ein Auto braucht. Er erzählt von Rennmotoren als Handgepäck, geplatzten Träumen in Techno-Politik – und wie der Tod von Bruce McLaren oder Jo Siffert ihn persönlich prägte. „Siffert hat mir gezeigt, dass Leidenschaft stärker sein kann als Herkunft.“
Sauber C4 und die Sache mit dem Monocoque
Zurück in der Schweiz wird Wyss von Peter Sauber engagiert. Gemeinsam bauen sie den legendären Sauber C4 – ein Monocoque-Fahrzeug in der Tradition englischer Ingenieurskunst. Doch es kommt zum Bruch: „Ich habe gedacht, jetzt bauen wir eine Serie. Aber Sauber wollte, dass ich mich wieder selbstständig mache.“ Ein Tiefschlag – und gleichzeitig der Anfang eines neuen Kapitels.

Ferrari statt Formel 1: Eine neue Werkstatt, alte Werte
Wyss gründet seine eigene Werkstatt, spezialisiert sich auf Ferrari – aber bleibt seiner Philosophie treu: Qualität, Geduld, Handarbeit. „Ich habe Revell-Bausätze in Originalgröße gebaut“, sagt er schmunzelnd. Mit wenigen, aber treuen Kunden arbeitet er an Daytonas, Abarths und seltenen Klassikern – bis heute.
Seine Anekdoten sind Kultstoff: Wie er einem 250 LM eine Porsche-Karosserie verpasste. Wie er Formel-1-Rahmen unter Druck setzte, um Undichtigkeiten zu finden. Oder wie er einen Ferrari-Motor in der Lufthansa-Fracht als Gepäckstück abholen musste. Motorsport, wie er war – und wie ihn heute kaum noch jemand kennt.
Wyss ist heute 80 und schraubt immer noch an Motoren, vor allem an seinen geliebten Abarths. Er hat mehr erlebt als die meisten Rennfahrer – und mehr gebaut, als viele Konstrukteure je entworfen haben. Ein Leben zwischen Öl, Ehrgeiz und Entschlossenheit. Und ein Podcast, der mehr als nur Geschichten liefert – er bewahrt ein Stück echter Rennsportkultur.
„Money kills passion – aber bei uns war es umgekehrt:
Die Leidenschaft hat uns über Wasser gehalten.“
Highlights aus Teil 1:
Ausbildung zum Feinmechaniker mit dem Traum vom Motorsport
Die ersten Erfahrungen in der Abarth-Werkstatt in Zürich
Kennenlernen von Joe Siffert, Edgar Barth, Hans Illert – und der Einstieg in die Szene
Arbeit bei McLaren: Rahmenbau für den Alfa-Romeo-Motor, Technik pur
Le Mans mit Ferrari 512, Porsche-Werk 1, der Aufbau des 917 für Joe Siffert
Erinnerungen an Bruce McLaren und seinen tödlichen Unfall 1970
Der Wechsel zu Techno und der Bau eines kompletten F1-Autos in 10 Wochen
Edi Wyss im Podcast – jetzt Teil 1 hören:
Alternativ anhören auf: Spotify | Apple Podcasts | YouTube
„Ferrari war früher Leidenschaft – heute ist es oft Kalkül. Ich mag lieber das Alte.“
Highlights aus Teil 2:
Das politische Tohuwabohu bei Techno und das abrupte Ende mit Martini
Rückzug auf den Bauernhof – und die Rettung durch Herbert Müller
Einstieg bei Peter Sauber: Wie Edi den ersten Monocoque-Renner C4 realisierte
Warum er trotz Erfolgs wieder gehen musste – und seine Werkstatt gründete
40 Jahre Restauration: Von Abarth bis Ferrari, von Schraube bis Karosserie
Gedanken zu Ferrari heute, zum Mythos – und zum Wert der Leidenschaft
Warum er mit 80 sagt: Jetzt reicht’s – aber nur auf der Strecke, nicht in der Halle
Teil 2 mit Edi Wyss im Podcast – jetzt hören:
Alternativ anhören auf: Spotify | Apple Podcasts | YouTube

Allen, die jetzt noch mehr über Edi Wyss erfahren wollen, empfehle ich seine Biographie "The Swiss Wiz", erschienen im McKlein-Verlag, die ihr zum Beispiel hier bestellen könnt: https://www.rallyandracing.com/the-swiss-wiz-edi-wyss-ein-leben-mit-renn-und-sportwagen
Den von ihm gegründeten Fachbetrieb für Ferraris speziell aus den 50ern und 60ern findet ihr hier: https://ediwyss.ch/
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