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Was wird aus unserer Autoindustrie?

Aktualisiert: 12. Okt. 2023

Ein Gastbeitrag von Marcus Klippgen zum Podcast Folge 212 vom 12. Oktober 2023


Diese bange Frage stellen sich viele. Doch nur noch knapp 3% der Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt vom Kraftfahrzeug ab. Denn mittlerweile fertigen deutsche Automobilhersteller und Zulieferer zu rund 75% im Ausland – mit anhaltend steigender Tendenz. Daher ist der Anteil deutschstämmiger Automobilunternehmen am hiesigen Volkseinkommen höher, als es die erwähnten 3% Prozent suggerieren. Allein Deutschlands Automobilindustrie trägt mit rund 4,5% zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und sorgt für jährliche Steuereinnahmen von rund 100 Milliarden Euro. Hinzu kommt die Wertschöpfung in automobilnahen Dienstleistungen wie etwa Handel und Werkstätten.

Gleichwohl besteht aus Sicht des „Standortes Deutschland“ insgesamt Anlass zur Sorge. Denn der Anteil des verarbeitenden Gewerbes – und das ist primär die Industrie – am BIP Deutschlands nimmt seit 2015 beständig ab:

Quelle: ThePioneer laut BDI, statista


Anfang der 1990er Jahre betrug der Industrieanteil am BIP noch über 27%. Heute bewegt er sich in Richtung 20%. Die „Deindustrialisierung Deutschlands“ ist also kein Schreckgespenst, sondern real. Und das gilt leider auch für die hiesigen Fertigungsstandorte der Automobilhersteller und -zulieferer.


Macht der Marken

Die Signalwirkung des Autos, das jemand fährt, mag in unseren Breiten gesunken sein. Denn während man bis in die 1980er Jahre physisch mobil sein musste, um sozial „vernetzt“ zu sein, reicht dazu heute das Internet bzw. das Smartphone. Dies und das gestiegene Umweltbewusstsein hat dazu beigetragen, dass der Freiheitsmythos des Automobils an Relevanz verloren hat – zumindest in den überfüllten Großstädten, wo jüngere Menschen vielfach auf einen Führerschein verzichten. Gleichwohl wird noch immer registriert, ob da beispielsweise ein Opel oder ein Porsche vorfährt. Denn noch immer ist das Auto ein „sozial auffälliges Gut“, indem es – jedenfalls vordergründig – Zugehörigkeit zu dieser oder jener gesellschaftlichen Referenzgruppe symbolisiert. Kaum anders verhält es sich mit Armbanduhren, Kleidung oder Accessoires. Rolex, Pumps und Vuitton scheinen eine andere Attitüde auszudrücken, als Apple Watch, Sneakers und Jutesack. Dabei geht es hierzulande kaum noch um „reicher oder ärmer“ – das lineare „Schichtenmodell“ hat längst ausgedient. Bei uns herrscht heute eher ein individualistischer Postmaterialismus, der Brüche nicht nur zulässt, sondern sogar goutiert. So wird mit Rolex im Opel ein Schuh daraus. Oder mit Jutesack im Porsche. Cool ist die Mischung.

Im noch immer weitgehend prämaterialistischen China ist das nicht so. Dort wirken Marken vielfach noch so linear wie einst in den übersichtlichen 60ern der Bundesrepublik: Wer Mercedes fuhr, eine Rolex, IWC oder Kelly Bag trug, der bzw. die „war was“. Im heutigen China symbolisieren solche Wohlstandsinsignien Erfolg. Daher sind Markenimages im größten Automobilmarkt der Welt noch entscheidender als anderswo. Zumal deutsche Hersteller dort über 40% ihrer Deckungsbeiträge erwirtschaften. Solch einem Partner droht man nicht mit Entkoppelung, sondern reicht ihm die Hand. Nur sollte man sie rechtzeitig zurückziehen können, bevor er sie abbeißt.


Deutsche Ingenieurskunst

Noch immer tragen „German Cars“ zum Image hiesiger Industrieprodukte im Ausland bei – weit über die die Automobilbranche hinaus. Umso schmerzlicher war der Dieselskandal für die Reputation des „German Engineering“. Gleichwohl wirkt das nach den Zweiten Weltkrieg erarbeitete Standing der hiesigen Automobilindustrie auf uns Deutsche noch immer identitätsstiftend. Selbst wer sich für Autos gar nicht interessiert, nimmt Welterfolge wie Käfer, Golf, 911 oder S-Klasse unterschwellig befriedigt zur Kenntnis. Interessierte wissen zudem um unsere technischen Meilensteine – etwa ABS und ESP, Knautschzone und Airbag, Motronic und Common Rail. Oder auch um die Raffinesse der Motoren aus München, Weissach und Affalterbach. Doch seit sich das Elektroauto mit Rückenwind aus Brüssel, Peking und Hinblick auf 2035 immer absehbarer durchsetzt, ist die deutsche Kernkompetenz „Verbrennungsmotor“ bald nichts mehr wert. Denn beim E-Auto bestimmt primär der Traktionsakku über die „Performance“. Schlüsselkomponente ist hier die Batteriezelle. Dagegen sind E-Motoren vergleichsweise simpel und daher überall beherrschbar.


Schmerzlicher Paradigmenwechsel

Seit ein gewisser Elon Musk das Produkt „Auto“ nicht als Komposition elektromechanischer Einzelmeister, sondern als einen mit Rädern ausgestatteten Zentralrechner begreift, scheint deutsche Wertarbeit nicht mehr viel zu zählen. Zumal die Kids von Shanghai bis Los Angeles ihre fortwährend vernetzte Kohabitation mit dem Smartphone im Auto noch gesteigert erleben wollen. Chinesische Kunden schätzen überdies Spielfeatures, die sich uns funktionalitätsorientierten Deutschen nur schwer erschließen.

Deutschlands Autowerker mussten etliche mentale Geschlechtsumwandlungen über sich ergehen lassen, bis sie die Zeitzeichen zur Gänze verinnerlichten. Angesichts ihrer überlegenen Karosserie- und Chassis-Kompetenz hatten sie lange gedacht, der Umstieg auf E-Antrieb werde sich locker bewerkstelligen lassen, sobald nur der Markt reif dafür sei. Damit unterschätzen sie sträflich Teslas Softwarearchitektur, In-House-Akkukompetenz und Vertikalisierung.


Heutige Marktgewichte

2022 wurden in China gut 30 Millionen Autos verkauft, in den USA knapp 15 Millionen, in Europa knapp 14 Millionen. Der chinesische Markt ist also mittlerweile größer als der Europas und Nordamerikas zusammen.

Quelle: statista 2023


Obwohl Indien mit 1,43 Mrd. Menschen noch etwas bevölkerungsreicher als China ist, werden dort bislang jährlich „nur“ etwa 5 Millionen Neuwagen überwiegend einfacher Bauart verkauft. Vergleichsweise hoch entwickelt sind Japan, Deutschland und Südkorea, allerdings spielen sie mit Binnenmarktvolumina von rund 3,4 Mio., 2,6 Mio. und 1,4 Mio. Neuwagen (2022) nur noch eine untergeordnete Rolle.


Der Wurm muss dem Fisch schmecken

Manche Modell- oder auch Designentscheidung hiesiger Automobilhersteller mag aus deutscher Sicht befremden – etwa riesige SUV oder gewaltige Kühlergrills. Doch wer am Weltmarkt teilnehmen will – und das scheint angesichts der Skaleneffekte alternativlos –, der kommt an China und den USA nicht vorbei. Und bekanntlich muss der Wurm dem Fisch schmecken – weniger uns Anglern, die wir in der Triade höchstens noch die dritte Geige spielen. In Chinas Automobilmarkt erreichten deutsche Hersteller 2022 insgesamt immerhin noch einen Marktanteil von gut 19%. Dies allerdings zum weit überwiegenden Teil mit konventionell verbrennungsmotorisch angetriebenen Autos. Und genau hier liegt das Problem:


Elektrotreiber China

Das von traditionellem Autobau unbelastete China erkannte in der E-Mobilität nicht nur eine Lösung des Luftverschmutzungsproblems in seinen Megacities. Sondern auch das historische Fenster für die Einstiegschance in den Weltmarkt. Und nutzt sie heute. Zumal China nicht nur über günstige Kostenstrukturen, sondern auch über die Rohstoffe verfügt, die man für Akkus benötigt. So stehen chinesische Hersteller inzwischen ante portas – jedenfalls vor denen des IRA-freien Europa. Hier gibt es Prognosen, wonach chinesische Hersteller innerhalb von 10 Jahren in der Mini- bis Kompaktklasse einen Marktanteil von 50% erreichen könnten. Fertigungsstandorte in Europa sind dabei durchaus im Gespräch. So müsste das Zentralkomitee Herrn Musk für Etablierung des Elektroautos im Westen eigentlich den Verdienstorden der Volksrepublik verleihen. Und der EU für ihren Beschluss, ab 2035 nur noch lokal emissionsfreie Neuwagen zuzulassen, gleich mit.

Marktführer in Chinas eigenem Automarkt ist die BYD Auto Company, die 1995 aus einem kleinen Akkuhersteller hervorging und in China mittlerweile nicht nur Toyota überholt hat, sondern auch die Volkswagen-Gruppe. 2022 war fast jeder fünfte in China neuzugelassene Pkw ein Elektroauto (BEV), 2023 dürfte es schon jeder vierte sein. In dem rapide wachsenden BEV-Segment im weltgrößten Automarkt sprechen folgende Marktanteile (2022) eine deutliche Sprache:

Quelle: ThePioneer laut Handelsblatt


Deutsche Verhältnisse

Dass die in Reaktion auf Tesla unter Herrn Diess vollzogene Radikalwende bei Volkswagen nicht ohne qualitative Schleifspuren abging, liegt nahe. Dass sie grundsätzlich so richtig war, wie einst 1973/74 der Umstieg vom luftgekühlten Heckmotor auf Frontantrieb, zeigt nicht zuletzt der Blick der Elektroboom in China. Jedoch verkauft Volkswagen in China noch immer überwiegend verbrennungsmotorische Autos. Dagegen rangiert VW bei Elektroautos – wie oben gezeigt – weit abgeschlagen hinter BYD und Tesla, wie auch die anderen deutschen Hersteller. Für die erfolgsverwöhnten Wolfsburger ist dies besonders bitter, nachdem sie in den 1980ern in China eine Marktführerschaft aufbauten, die dort über Jahrzehnte währte. Konsequenz ist die jüngst verkündete VW-Kooperation mit dem chinesischen E-Autohersteller Xpeng. Ferner muss die niedersächsisch bedächtige Schlagzahl – auf allen Ebenen des Unternehmens – deutlich erhöht werden, um die auf dem „Modularen Elektrobaukasten“ (MEB) fußende E-Flotte attraktiver zu machen. Hinsichtlich Fahrdynamik und Skalierbarkeit ist der MEB vorzüglich, wenngleich nicht mit 800 V-, sondern noch mit 400 V-Betriebsspannung. Doch nun bedarf es der Rückbesinnung auf tradierte Volkswagenstärken wie hochwertiges Innenraumfinish, gute Bedienbarkeit des „Man-Machine-Interface“ und unprätentiöses Design. Allenthalben geht es – zumal nach dem Cariad-Debakel – um eine Aufholjagd beim sogenannten „Betriebssystem“, also jener automobilen Basis-Software, an der auch weitere Konzernmarken hängen – unter anderem Audi, wo sich Neuanläufe deshalb verzögern. Daher nun auch Audis Kooperation mit der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) in der Mittelklasse.

Mercedes agierte auf der Softwareseite glücklicher, opferte allerdings das Außendesign seiner EQ-Modelle der Aerodynamik so kompromisslos, dass es speziell in China offensichtlich zulasten der Akzeptanz geht. Da wird nun nachgearbeitet. Übrigens mag sein, dass „Smart“ weder zum kultivierten Anspruch von „Mercedes-Benz“ passt, noch der kleine ‚fortwo‘ jemals auskömmliche Deckungsbeiträge erwirtschaftete. Aber diesen König der Parklücke ersatzlos zu streichen, könnte sich akquisitorisch rächen. Überzeugten Smartisten – und davon gibt es in westlichen Großstädten viele – bleibt nur die Hoffnung auf ein dereinstiges Comeback des superwendigen ‚fortwo EQ‘ unter Joint-Venture-Partner Geely.

Sieht man von 1-2 Startups im E-Mikrosegment ab, gibt es bei uns zurzeit kein Elektroauto für unter 23.000 € – und das auch nur unter Verzicht auf Finessen und Batteriereichweite. Denn anders als prognostiziert fallen die Gestehungskosten für Lithium-Ionen-Akkus bislang kaum unter 150 € pro Kilowattstunde (inklusive Package und Thermomanagement). So schlägt allein der 50 kWh Li-Ion-Akku eines rein batteriegetriebenen Kompaktwagens mit rd. 7.500 € zu Buche ̶ glatt über 40% der Materialkosten, zu denen die Strukturkosten des Herstellers noch hinzukommen. Auch wenn die sonstigen Antriebskomponenten des „Battery Electric Vehicle“ (BEV) weniger aufwändig als beim Verbrenner sind, erklärt besagter Kostenfaktor „Akku“ die heute in der Kompaktklasse gängigen E-Grundpreise von 35.000 € an aufwärts. (Umweltprämien lassen wir hier einmal außen vor, weil sie den Markt verzerren.) Volkswagen will 2025 seinen E-Kleinwagen „ID.2“ vorstellen, dessen Basispreis bei 25.000 € liegen soll. Bei auskömmlicher Akkureichweite auf Basis von Li-Ion-Zellen wäre das ein sportlicher Zielpreis. Doch mittlerweile kennt man Akkuzellen, deren alternative Zellchemie zwar eine geringere Energiedichte, aber erhebliche Kostenvorteile verspricht. Speziell kleine BEV, bei denen es weniger auf die Akkureichweite ankommt, lassen sich damit günstiger als vergleichbare Verbrenner herstellen. BYD macht es in China bereits vor. Näheres zur Batterieentwicklung siehe weiter unten.

Mit volksnahen Preisüberlegungen braucht sich BMW schon lange nicht mehr zu befassen. Hierzulande mag man den Münchnern zwar die Monstrosität ihrer aktuellen Doppelnieren und E-SUVs vorhalten, doch hier sei an den Wurm erinnert, der dem Fisch schmecken muss. Und was die BMW Studie „i Vision Dee“ für die ab 2025 angekündigte ‚Neue Klasse“ verspricht, dürfte den virtuellen Erwartungen der globalen Kids entsprechen, ohne formal zu überzeichnen. Auch gibt sich BMW nicht gänzlich dem SUV-Mainstream hin, sondern pflegt – wie auch Mercedes und Audi – weiterhin seine großen Limousinen. Und seine klassischen Kombis für Europa.


In Zukunft „German Luxury“

Angesichts der zu erwartenden chinesischen Herausforderung in den „bezahlbaren“ Preisklassen werden Audi, BMW und Mercedes-Benz ihre Modellprogramme künftig höher positionieren. Folgt man der Marketinglogik von Luxusanbietern wie LVMH, Hermes (Paris), Ferrari, Bentley und nicht zuletzt Porsche, so scheint diese Strategie des „Ausweichens nach oben“ zumindest in Asien und Nordamerika erfolgversprechend. Und bevor sie die „Bodenhaftung im Heimatmarkt“ gefährdet, lässt sie sich nachsteuern. In Richtung Luxus zielt mittlerweile auch die südkoreanische Hyundai-Gruppe mit ihrer beachtlichen Edelmarke „Genesis“. Auch chinesische Marken wie z. B. „Nio“ kündigen bereits Premiumgelüste an. Es ist also absehbar, dass es im Luxussegment künftig enger zugehen wird. Umso deutlicher müssen die Markenprofile deutscher Premiumhersteller konturiert sein. Anstatt mehr oder weniger vergleichbarer SUV braucht es dazu eher innovativer Karosserie-, Design- und Softwarekonzepte. Dazu gehört Mut, zumal „Luxus“ eher ein zeitloses Design impliziert. Doch die schwedische Geely-Tochter Polestar macht es vor. Denn für Luxusanbieter gilt: Be distinct or be extinct. Und je stärker die Marke, desto mutiger kann sie sein. So mutig waren einst die Beatles und Nokia, heute sind es Apple und Tesla. Wie mutig werden die Deutschen sein?


Was ist künftig automobiler Luxus?

Edelste Verarbeitung, höchster Komfort, ultimative Fahrleistungen, weit reichende Assistenz und Vernetzung sind im Luxussegment bereits heute selbstverständlich. Doch wie steht es dort künftig um Individualisierungsmöglichkeiten – nicht nur farblich und stofflich, sondern auch sonderausstattungstechnisch? So vielfältige Hardware-Optionen wie etwa in den 70er Jahren bei Mercedes-Benz wären heute zwar kaum noch sinnvoll. Aber Software-Optionen wie z. B. Cockpitanzeigen im markenspezifischen „Retro-Design“ wären heute relativ einfach beherrschbar. Ein weiterer Ansatz wären luxuriöse Stadtminis für urbane Zielgruppen, denen es auf dem Preis so wenig ankommt, wie beim Vuitton- oder Rolex-Kauf. Denkbar wären beispielsweise ein MINI in Highend-Ausstattung oder der künftige VW ID.2 in einem hochwertigen Dress, den man bei Audi trefflich beherrscht. Noch wendiger war indessen der 2,70 m kurze Smart fortwo, den Mercedes mit Hilfe von Geely in einer luxuriösen BRABUS- oder AMG-Version wiederauferstehen lassen könnte. Bei großen Langstreckenfahrzeugen könnte dagegen ein Konzept wegweisend sein, wie es einer aktuellen Designstudie des Designers Gert Pollmann entspricht: Sie trägt den Arbeitstitel "Die Umweltoberklasse" und bliebe über viele Jahrzehnte nutzbar, weil sie mit der technischen Entwicklung mithielte, indem sich Antrieb und Cockpit mitsamt Steuerungssystem zu gegebener Zeit modular tauschen lassen. Also Luxus im Sinne von Langlebigkeit – so wie man eine hochwertige Armbanduhr sein halbes Leben lang trägt, bevor man sie an den Sohn oder die Tochter vererbt.

Neben der „Connectivity“ sollte sich „Luxus“ an den ergonomischen Qualitäten des „Man-Machine-Interface“ und der Assistenzfunktionen bis hin zur autonomen Fahrzeugsteuerung manifestieren. Bei Letzterer haben die deutschen Hersteller einen Vorsprung. Gleichwohl gibt es für sie zurzeit vier erkennbare Baustellen:


1. Baustelle: Attraktivität

Elektroautos deutscher Premium-Marken scheinen bislang nicht unbedingt für „Premium-Zufriedenheit“ stehen. So befragte die Marktforschung UScale online 4.522 E-Auto-Besitzer in D, A und CH (nur BEV-, keine PHEV-Besitzer). Hiernach würden Eigner eines Tesla ihr Auto mit durchschnittlich 69%iger Wahrscheinlichkeit weiterempfehlen. Auf den Plätzen folgen Genesis-Eigner mit 63%, Porsche mit 62%, BMW mit 59%, Hyundai und Volvo mit jeweils 49%, Kia mit 48%, Skoda und Dacia mit jeweils 44%. Das ist die Spitzengruppe. Mercedes erreicht mit 41% einen mittleren Platz, Audi liegt mit 30% am Anfang des unteren Drittels, dessen Schlusslichter Peugeot mit 11% und Opel mit 8% markieren.

Grafik: ThePioneer, Quelle: UScale 2023


Nun sind Zufriedenheitsumfragen mit Vorsicht zu genießen. So ist z. B. davon auszugehen, dass sich Fahrer der erstgenannten Marken besonders stark mit diesen identifizieren. Auch wirkte sich der Vorteil kürzerer Ladezeiten der einstweiligen 800 V-Vorreiter Porsche, Genesis, Hyundai und Kia positiv auf die Zufriedenheit aus. Gleichwohl bemerkenswert bleibt der Spitzenplatz der Marke Tesla, die hinsichtlich Softwarequalität, App-Connectivity und Reichweite (obwohl nur 400 V-Technik) offensichtlich führt, deren gravierende Schwäche nur die Verarbeitungsqualität ist. Fast noch nachdenklicher stimmt, in welch kurzer Zeit die E-Autos der Südkoreaner ihr beachtliches Leistungs- und Qualitätsniveau erreicht haben. Dies zeigen auch Vergleichstests. Dagegen weisen E-Autos aus China bislang noch Schwächen auf – bislang…


2. Baustelle: Software

Noch ist nicht sicher, ob jene bereits erwähnten „Betriebssysteme“ der deutschen Hersteller (warum eigentlich kein gemeinsames?) mit allen künftigen Features klarkommen werden. Hinsichtlich Assistenz bis hin zu autonomen Fahrsystemen liegen die Deutschen gut im Rennen, auch im Vergleich zu Tesla. Doch bei rein online-basierten Features heißen die Player Alphabet (Google), Apple, Amazon oder auch Meta und „X“. Daher wird es für deutsche Hersteller darauf ankommen, ihre Softwarearchitekturen einerseits hinreichend „offen“ zu halten, andererseits aber proprietäre Entwicklungen im Hause zu halten.


3. Baustelle: Akku

Es gilt, die Entwicklung der Schlüsselkomponente „Akku“ aktiv zu verfolgen, die qua Energiedichte, Alterung, Recycling und vor allem hinsichtlich Kosten die Achillesferse des BEV ist. Gelänge es, bei nahezu gleichen Kosten die Energiedichte der Zellen zu erhöhen, würden physisch kleinere Akkus möglich – womit das E-Auto günstiger und leichter würde. Behielte man heutige Akkugrößen bei, würden Reichweiten bis zu 1.000 Kilometer greifbar und damit das Problem zeitraubender Ladestopps entschärft. Daher wird die Akku-Technologie – neben der Software – der entscheidende Wettbewerbsfaktor sein. Zwar werden die Akku-Fertigungskapazitäten in Europa und den USA zügig ausgebaut, allerdings besteht nicht nur ein Rohstoffversorgungs-, sondern auch ein technologisches Risiko: Zumindest im Topsegment könnte die derzeitige Machart von Lithium-Ionen-Batteriezellen demnächst überholt sein, indem sich besonders energiedichte Batteriezellen mit Feststoff-Elektrolyt als serienreif erweisen (s. u. im Appendix „Super-Akku“). Eine weitere Ungewissheit ̶ speziell mit Hinblick auf preissensible Volumensegmente ̶ stellt die Entwicklung von Akkuzellen dar, die dank neuartiger Chemie deutliche Kostenvorteile gegenüber heutigen Li-Ion-Zellen haben. So verwendet Tesla im Basis-Model 3 bereits jetzt Lithium-Eisenphosphat-Zellen (LFP), deren Energiedichte zwar niedriger ist, die aber robust und um ca. 20% preisgünstiger sind, weil sie ohne teuren Nickel und ohne den beschaffungskritischen Kobalt auskommen. Ende 2023 soll „LFP“ zu „LFMP“ erweitert werden: Mit Hilfe des chinesischen und weltgrößten Zellenproduzenten CATL soll Mangan in die Struktur eingebaut werden. „LFMP“ soll die Energiedichte auf das Niveau heutiger Li-Ionen-Zellen bringen, aber den Kostenvorteil von „LFP“ erhalten. Einen gegenüber heutigen Li-Ion-Zellen sogar rd. 40%igen Kostenvorteil hätten Batteriezellen, in denen Natrium verwendet wird: Anstelle von Lithium kommt an der Anode so genannter amorpher Kohlenstoff zum Einsatz. An der Kathode will Branchenführer CATL Farbstoffe wie Preußisch Weiß einsetzen. Die Energiedichte solcher Na-Ion-Zellen läge zwar unter der von LFP-Zellen, aber dafür wären sie nochmals robuster und preisgünstiger. Vor allem würden Na-Ion-Zellen die Abhängigkeit hiesiger Fertigungen von China verringern, das zurzeit rd. 70% der akkurelevanten Rohstoffmärkte direkt oder indirekt beherrscht. Ähnliches gilt übrigens auch für bestimmte „seltene Erden“, die man für Elektromotoren braucht. Ein politisches Risiko stellt ferner Kobalt dar, weil dessen Weltvorkommen zu fast 50% im Kongo liegen. Bedrückend ist überdies, dass die überwiegend in Chile stattfindende Auswaschung von Lithium dort zu erheblichen Umweltschäden führt. Zwar gibt es alternative Rohstoffe, aber zumindest mittelfristig wird Europas E-Mobilität von Rohstoffimporten abhängig bleiben. Mittlerweile zeichnen sich Akku-Recylingverfahren ab, nur ist deren Wirtschaftlichkeit einstweilen ebenso ungewiss, wie der o. a. Einsatz alternativer Rohstoffe. Ob man diese Gesichtspunkte in Brüssel bedachte, als man der EU das BEV ab 2035 de facto zwangsverordnete, darf bezweifelt werden.


4. Baustelle: Skaleneffekt

Wenn sich Deutschlands Premium tatsächlich mit aller Konsequenz in Richtung „Exklusivität“ absetzt, wird zwar mit höheren Deckungsbeiträgen, jedoch deutlich niedrigeren Stückzahlen zu rechnen sein. Das wird nicht nur Arbeitsplätze kosten, sondern auch das Verhältnis zu Zulieferern erschweren, deren Strukturen auf die bisherigen Volumina ausgelegt sind.


Es bleibt also einiges zu tun.



Schlussbemerkung

Wie wir gesehen haben, hängt die Zukunft der deutschen Autoindustrie im Wesentlichen von der Entwicklung zweier Faktoren ab: Weltpolitik und Technik. Letztere bemisst sich zunehmend an der Software – hier besteht Nachholbedarf. Ansonsten ist die technische Ausgangsposition der Deutschen gut, allerdings muss deren Abhängigkeit von fernöstlichen Batteriezellenherstellern verringert werden. Auch in dieser Hinsicht bleibt China die einstweilen mit Abstand größte Herausforderung. Angesichts der deutschen Exportabhängigkeit ist ein „Decoupling“ völlig illusionär. Möglich ist nur ein gewisses „Derisking“.



--- Appendix ---


I. Super-Akku versus Brennstoffzelle

Geht es um Energiedichte und Ladezeiten ̶ also um Langstreckentauglichkeit ̶ , heißt der zelltechnische Hoffnungsträger „Feststoff-Elektrolyt“ bzw. „Solid State“. Hier wird der flüssige Elektrolyt durch einen festen Elektrolyt ersetzt, der mit der Anode aus rein metallischem Lithium verbunden wird. Das führt zu einer um rd. 50 Prozent höhere Energiedichte sowie zu deutlich kürzere Ladezeiten. Im Labor funktioniert dieser Super-Akku, allerdings scheint seine Großserienproduktion schwierig, weil reines Lithium hoch reaktiv ist. Insofern mögen Ankündigungen erster Serien-BEV mit "Solid-State" - Traktionsakku für 2025 zwar mutig sein. Aber nur dann, wenn die Akku-Entwicklung wider Erwarten stagnieren, die Rohstoffversorgung zu unvertretbaren Abhängigkeiten führen und obendrein das Recyclingproblem überhandnehmen sollte, dürfte man erneut über wasserstoffgespeiste Brennstoffzellen im E-Pkw diskutieren. Dies, zumal die Primärenergieeffizienz des „Fuel Cell Electric Vehicle“ (FCEV) nur bei 30% liegt, wohingegen ein reines „Battery Electric Vehicle“ (BEV) rund 70% erreicht. Denn während beim BEV der (möglichst grüne) Strom aus dem Netz direkt in die Batterie geladen wird, muss er beim FCEV einen Umweg nehmen: 1. Gewinnen von Wasserstoff (H2) durch Elektrolyse (mit möglichst grünem Strom), 2. H2-Kompression auf 800 bar (Drucktank) oder H2-Kühlung auf unter minus 253 °C (Flüssigtank), 3. H2-Transport, 4. Einblasen des H2 in die stromerzeugende Brennstoffzelle im FCEV. Andererseits hat die FCEV-Technik wesentliche Vorteile: Höherer Reichweite, kurze „Tankzeiten“ und wesentlich kleinere Akkus, die im FCEV lediglich Pufferfunktion haben. Weil der Energiegehalt von H2 bezogen auf dessen Gewicht extrem hoch ist, eignet sich das FCEV-Konzept besonders elektrobetriebene Langstrecken-LKW, die anderenfalls riesig schwere Akkus mitführen müssten, was auf Kosten der Nutzlast ginge. So werden ab 2024 erste Trucks mit – hoffentlich weitgehend grünem – Wasserstoff und Brennstoffzelle unterwegs sein. Ein Netz entsprechender Wasserstofftankstellen entlang den Hauptrouten ist im Aufbau. In einem E-Pkw mit Brennstoffzelle kommt man mit nur einem Kilogramm Wasserstoff glatt 100 Kilometer weit. Das sorgt für hohe Reichweiten und angesichts kurzer „Tankzeiten“ für Langstreckenqualitäten wie wir sie nur von Diesel-Pkw kennen. So spricht man auch vom FCEV als „Diesel der Zukunft“. Daher haben u. a. Toyota, Hyundai, Honda, Mercedes und BMW den FCEV-Pkw keineswegs abgeschrieben – trotz der bislang hohen Kosten von Brennstoffzellen-„Stacks“. Doch bei Luxuswagen (sic!) ließen sich diese noch am Ehesten verkraften.


II. „E-Fuel“ als Taube auf dem Dach

Ja, Verbrennungsmotoren lassen sich klimaneutral mit „E-Fuels“ betreiben. Denn bei deren Herstellung wird der Atomsphäre dieselbe Menge an CO2 entzogen, die hinterher bei der Verbrennung wieder ausgestoßen wird – also ein CO2-neutraler Kreislauf. E-Fuels verhalten sich wie fossile Kraftstoffe und könnten daher an jeder Tankstelle verzapft werden. Damit ließe sich der weltweite Bestand von rund 1,4 Milliarden Fahrzeugen und Maschinen zu Lande von heute auf morgen klimaneutral betreiben. Laut Studien wären Herstellkosten bis hinunter zu 1,00-1,20 € pro Liter E-Fuel langfristig möglich. Das läge zwar immer noch über heutigen Gestehungspreisen fossiler Kraftstoffe, schiene aber zumindest für bestimmte Anwendungen sinnvoll. Würden wir beispielsweise alle Flugzeuge und Seeschiffe mit E-Fuels betreiben, so blieben unserem Planten knapp 6% des vom Menschen verursachten CO2-Ausstoßes erspart. Würden sämtliche verbrennungsmotorischen Vehikel zur Luft, zu See und zu Lande mit E-Fuels betrieben, wären es sogar rd. 24,5% weniger. Denn in dieser Größenordnung bewegt sich der weltweite CO2-Anteil des Sektors „Transport“, der damit auf Platz 2 hinter „Kraftwerken“ rangiert.

Warum zum Teufel setzen wir also nicht auf E-Fuels, also auf die Synthese von Wasserstoff (H2) und Kohlenstoff (C) zu beliebigen flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen wie Benzin, Diesel oder Kerosin? Antwort: Weil die Primärenergieeffizienz von E-Fuels höchstens 15% beträgt. Das liegt zum einen am hohen Stromverbrauch C(O2) auffangender „Carbon Air Capture“-Systeme (bislang nur Pilotanlagen) sowie anschließender E-Synthese von Kohlenstoff (C) und grünem Wasserstoff (H2) zu E-Fuels, zum anderen am niedrigen Wirkungsrad von Verbrennungsmotoren. Im Ergebnis beträgt die Primärenergieeffizienz von in konventionellen Fahrzeugen verfeuerten E-Fuels höchstens 15%. Damit ist sie fast um den Faktor 5 niedriger als die Primärenergieeffizienz eines batteriegetriebenen Elektrofahrzeugs, die bei etwa 70% liegt (der demnach rund 30%ige Energieverlust resultiert weniger aus dem E-Motor oder der Leistungselektronik des BEV, sondern primär aus vorgelagerten Verlusten im Stromnetz, im Ladegerät und im Akku).

Nun entstehen weltweit so erhebliche Grünstromkapazitäten, dass wir uns E-Fuels trotz ihres Effizienzmankos dereinst leisten könnten. Nur kann das Weltklima bis dahin nicht warten. Denn vordringlich wird der elektrolytisch mittels Grünstrom aus Wasser (H2O) abgespaltene Energieträger Wasserstoff (H2) jetzt nicht für E-Fuels, sondern zur Dekarbonisierung der energieintensiven Stahl-, Zement- und Chemieindustrien gebraucht, hierzulande überdies als Puffer gegen die Volatilität von Wind und Sonne. Sodann wird man Gebäudeheizungen sukzessive von Gas auf Grünen Wasserstoff umstellen, den man – wie gesagt – auch zunehmend in Brennstoffzellen von Langstrecken-LKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln auf nicht elektrifizierten Mittelstrecken einsetzen wird. Erst dann, wenn darüber hinaus genügend Grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, wird man ihn in größerem Umfang zur Herstellung auch zur Herstellung von E-Fuels einsetzen können. Wobei hier zuerst Flugzeuge, und Seeschiffe an die Reihe kommen sollten, die bislang immerhin fast 6% des weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoßes ausmachen, aber eben – anders als Autos – nicht auf Batterieantrieb umstellbar sind. Angesichts dieser ökologisch nachgerade zwingenden Prioritäten könnten E-Fuels für die breite autofahrende Bevölkerung frühestens in 20 Jahren in ausreichenden Mengen zu bezahlbaren Preisen verfügbar sein. Deshalb kann die Automobilindustrie nicht auf die Taube auf dem Dach warten, sondern stellt sich ausnahmslos auf E-Antriebe ein.

Das EU-Verdikt, wonach Neuwagen ab 2035 in der EU nur noch dann zulässig sind, wenn ihr lokaler CO2-Ausstoß Null beträgt, stellt Deutschlands Verkehrsminister Wissing nicht in Frage. Nur hält er es für falsch, Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 grundsätzlich zu verbieten, wenn deren CO2-neutraler Betrieb mit E-Fuel sicher zu gewährleisten ist. Das ist schon deshalb richtig, weil die Entwicklung von E-Fuels in unser aller Interesse liegt. Denn jedes Altfahrzeug, jedes Flugzeug und jedes Seeschiff, das mit E-Fuel betrieben wird, hilft dem Weltklima. Zwar ist ungewiss, wie schnell und zu welchen Preisen E-Fuels auf den Markt kommen werden. Aber diese Möglichkeit von vornherein auszuschließen, wäre borniert.

III. Stromscheichs statt Ölscheichs

Trotz des Ausbaus eigener Wind- und Solaranlagen wird Deutschland auch weiterhin ein Energieimportland bleiben. Auch langfristig werden wir mindestens 70% unseres Energiebedarfs durch Importe decken müssen.

An Elektrolyseuren zur Erzeugung Grünen Wasserstoffs wird es weniger mangeln, als vielmehr an Grünstromkapazitäten, um diese Elektrolyseure zu betreiben. So werden wir auf den Import von grüner Energie angewiesen sein – sei es in Form von Nordseewindstrom oder direkt in Form von Wasserstoff bzw. dessen einfacher transportablen, weil flüssigen Vorstufe Methanol. Damit werden wir regenerative Energie auch endlich speichern können. Denn angesichts der Volatilität von Wind und Sonne wird Energiespeicherung dringlicher denn je, zumal unsere Topografie kaum Pumpspeicher zulässt. Doch der Stromanteil „fossiler“ Kohle- und Gaskraftwerke, die die Schwankungen der „Regenerativen“ bislang ausgleichen, soll ja sinken und Kernkraft (nach derzeitiger Beschlusslage) überhaupt nicht mehr genutzt werden. Was wir also künftig auf Schiffen oder aus Pipelines beziehen werden, wird farb- und geruchlos sein. Es wird nicht mehr aus der Erdkruste kommen, sondern zunehmend aus Nordseewind und den Photovoltaikregionen Nordafrikas oder Südamerikas. Die Energiescheichs werden also wechseln, doch unsere Abhängigkeiten bleiben.


IV. Einfluss des Automobils auf das Weltklima – Vorsicht, Politik!

Seit Beginn der Industrialisierung verfeuert die Menschheit in Form von Kohle, Erdöl und Gas Kohlenstoffe, die sich über Jahrmillionen in der Erdkruste angesammelt haben. Weil wir dies seit 1945 verstärkt tun, fügen wir dem regulären Umsatz des Ökosystems jährlich gut 3% CO2 hinzu. So weisen die Verläufe des Temperaturanstiegs auf der Erde und der des jährlich anthropogenen (also vom Menschen verursachten) CO2-Ausstoßes signifikante Parallelität auf – mit einem Zeitversatz von etwa einem Vierteljahrhundert. Verglichen mit dem Alter unseres Planeten ist das weniger als ein Wimpernschlag. Daher ist es absurd zu behaupten, der Temperaturanstieg der letzten 50 Jahre sei auf „natürliche Temperaturschwankungen“ zurückzuführen, die es „schon immer gegeben“ habe. Ja, die gab es. Aber nicht innerhalb so kurzer Zeit! Nun ist CO2 zwar nicht das einzige Klimagas, das sich wie ein Treibhaus um unsere Atmosphäre legt und damit die natürliche Wärmeabstrahlung der Erde ins All behindert. Weitere Treibhausgase sind Methan, Lachgas und fluorierte Kohlenwasserstoffverbindungen wie z. B. FCKW. Aber CO2 hat qua Volumen den mit Abstand stärksten Einfluss, zumal es Jahrtausende braucht, bis es sich in der Atmosphäre abbaut. Nun trägt der Individualverkehr – also primär das Automobil – allerdings nicht die Hauptschuld am weltweiten CO2-Problem der Menschheit:

Quelle: statista 2023

Mit knapp 38% Anteil am weltweiten anthropogenen CO2-Ausstoß rangiert vielmehr der Sektor Kraftwerke auf Platz 1. Davon dominiert in manchen Ländern noch immer die besonders CO2-intensive Kohle mit Anteilen von rd. 60% (China) bis 80% (Polen). Diesbezüglich stehen Länder mit hohem Atomstromanteil, z. B. Frankreich, wesentlich glücklicher da, sind allerdings mit dem Problem der „Endlagerung“ konfrontiert. Anders als obige Grafik vermuten lässt, liegt die Industrie mit ihren gut 21% nur auf Platz 3. Hier bemüht man sich insbesondere in Deutschland, die CO2-intensive Chemie-, Stahl- und Zement-Produktion sukzessive auf den Energieträger ‚Grüner Wasserstoff‘ umzustellen – ein `zig Milliarden schwerer Kraftakt.

Erfasst man alle Formen des weltweiten Transports, so beträgt dessen CO2-Anteil eher 24,5%, liegt also auf Platz 2. Hier entfallen auf die internationale Schifffahrt und den Luftverkehr jeweils knapp 3%, auf Bahnen (weil überwiegend elektrifiziert) deutlich unter 1% – zusammen rd. 6,5%. Die übrigen gut 18% verursacht der Straßenverkehr. Weil auf Straßen Verschiedenes unterwegs ist, unterteilen sich diese 18% wie folgt: LKW und Busse ~5%, leichte Transporter ~2% (wegen Onlineverkäufen zunehmend), Pkw und Motorräder ~11%. Da Motorräder fast zu vernachlässigen sind, lässt sich festhalten: Der Anteil von Pkw am Weltproblem CO2 beträgt ~11%. Der sei keineswegs vernachlässigt. Und es stimmt, dass der Transport in Europa als einziger Sektor den EU-Zielkorridor „Bis 2030 minus 55% CO2 gegenüber 1990“ verfehlt. Nur liegt dies nicht an der Autoindustrie, sondern am Anstieg der Mobilität seit 1990. Ist es also gerechtfertigt, deshalb ab 2035 in der EU nur noch lokal emissionsfreie Neuwagen zuzulassen? Und damit die Hersteller faktisch zur Umstellung auf BEV zu zwingen, weil bis 2035 keine alternativ hinreichende und vollflächige Versorgung an grünem Wasserstoff absehbar ist, wie er für FCEV-Pkw oder E-Fuels in Verbrennern erforderlich wäre? Dabei ist das vermeintliche Allheilmittel BEV mitnichten emissionslos, solange dessen Ladestrom zu fast 50% (Deutschland) aus fossilen Kraftwerken kommt. Überdies trägt das BEV aufgrund der energieintensiven Herstellung seines Akkus einen „CO2-Rucksack“ mit sich herum. Er führt dazu, dass die CO2-Bilanz eines BEV erst nach Nutzung über 30-70.000 Kilometer (je nach Akkugröße) günstiger als die eines vergleichbaren Verbrenners wird. Erst wenn der Grünstromanteil – wie in Deutschland geplant – auf mindestens 80% steigt, wird der „CO2-Break Even“ zugunsten des BEV bereits nach 20-40.000 Kilometern erreicht werden (wie gesagt, je nach Akkugröße). Ist es das wert, die deutsche Kernkompetenz „Verbrennungsmotor“ innerhalb der kommenden zwölf Jahre wertlos zu machen? Schaut man sich an, wer die CO2-Hauptemittenten dieser Welt sind, fällt die Antwort schwer:


Das war Stand 2019, heute liegt Chinas CO2-Anteil bei über 31%. Dennoch baut China seine Kohlekraftwerkskapazitäten beständig aus. Derweil dient sich Russland China und dem nächsten schlafenden Riesen Indien als billige Tankstelle an. Wer sich in diesen Ländern an der Straße festklebt, kommt ins Umerziehungslager.

Doch Deutschlands – anders als Amerikas – exportabhängige Autoindustrie kann gar nicht anders als mit den chinesischen Wölfen zu heulen. Zumal es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, wann die Chinesen das technische Niveau der Südkoreaner erreicht haben werden.


Schönen Dank auch aus Peking für den Rückenwind aus Brüssel.



Was wird aus Deutschlands Autoindustrie - Klippgen
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