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Daniel Goeudevert – Der unbequeme Visionär der Automobilbranche (#232, 233)

Aktualisiert: 7. Apr.

Wie ein Literaturlehrer aus Frankreich zum Vorstandschef von VW wurde – und sich selbst dabei nie verlor.

Wenn Daniel Goeudevert zu sprechen beginnt, dann nicht wie ein Automanager. Sondern wie ein Mensch, der nachgedacht hat – und dabei den Mut hatte, den Mund aufzumachen. In einer Branche, die sich jahrzehntelang für unantastbar hielt, war Goeudevert eine seltene Figur: ein Denker, ein Mahner, ein Macher mit Haltung.

Die Geschichte, die er in der Doppelfolge des Podcasts Alte Schule erzählt, liest sich wie ein Roman. Nur ohne Pathos. Dafür mit klaren Worten, klugen Wendungen – und der leisen Wucht eines Lebens, das sich nie der Konvention unterwarf.

 

Daniel Goeudevert
Daniel Goeudevert

Vom Klassenzimmer ins Autohaus

Geboren in Frankreich, Sohn eines Eisenbahners, wird Goeudevert zunächst Lehrer – Germanistik, Literatur. „Ich wollte Menschen etwas mitgeben“, sagt er. Doch dann kommt alles anders: Als er seinem Bruder beim Citroën-Verkauf aushilft, entdeckt er eine neue Form der Kommunikation – eine, bei der man nicht belehrt, sondern zuhört. In kürzester Zeit wird er zum erfolgreichsten Citroën-Händler Frankreichs. Nicht, weil er drückt, sondern weil er versteht.

Der Einstieg in die Industrie folgt fast von selbst. Mit 26 übernimmt er bereits eine Citroën-Niederlassung in der Schweiz, wird Geschäftsführer, dann Vertriebschef. Seine Methode: kein Bullshit, keine Allüren. Stattdessen Respekt, Authentizität – und Mut zur Wahrheit.

 


Der unbestechliche Manager

In den Folgejahren durchläuft Goeudevert Stationen, die viele als Krönung betrachten würden: Renault, Ford, schließlich Volkswagen. Dort wird er Vorstandsvorsitzender der Marke VW, verantwortlich für Millionen Fahrzeuge, tausende Mitarbeiter – und eine Branche, die ihn nie so ganz einordnen kann.

Denn Goeudevert stellt Fragen, wo andere verkaufen. Warum bauen wir Autos mit 500 PS für Städte, in denen Tempo 30 sinnvoller wäre? Warum reden wir über CO₂-Werte, aber nicht über Menschenwürde in Lieferketten? Warum stellen wir Technik vor Haltung?

Er findet klare Antworten – und stellt sich damit gegen den Mainstream. Früher als viele fordert er ein Tempolimit, lobt die Elektromobilität (lange vor Tesla), denkt über urbane Mobilität statt PS-Zahlen nach. Gemeinsam mit Swatch-Gründer Nicolas Hayek will er ein europäisches E-Auto bauen – klein, günstig, leise. Das Projekt scheitert. Wie so viele Ideen, die ihrer Zeit zu weit voraus sind.


 

„Shareholder Value war der Beginn vom Ende der

Verantwortung in Unternehmen.“

 

Erfolg als Nebenwirkung

Daniel Goeudevert war nie ein Mann der Macht, sondern ein Mann mit Meinung. Er spricht mit Bundeskanzlern, sitzt in EU-Kommissionen, berät Großkonzerne. Aber er sagt auch: „Ich habe nie ein Gehaltsgespräch geführt. Geld hat mich nicht interessiert.“

Was ihn stattdessen interessiert hat, ist Verantwortung – ein Wort, das in der Industrie oft nur als Hülle existiert. Für Goeudevert bedeutet es: zuhören, nachdenken, auch mal verzichten. Nicht jedem gefallen. Und sich notfalls zurückziehen, wenn man nicht mehr überzeugt ist.

1993 verlässt er Volkswagen. Leise. Würdevoll. Und mit dem Gefühl, dass er genug getan hat.


 

„Ich hatte nie ein Gehaltsgespräch. Ich wollte etwas verändern, nicht verdienen.“

 

Eine Stimme, die bleibt

Heute lebt Goeudevert zurückgezogen. Kein Vorstand mehr, kein Lenker, kein Entscheider. Aber einer, der etwas zu sagen hat – vielleicht mehr denn je. In einer Zeit, in der die Autoindustrie auf der Suche ist, nach Antrieb, nach Richtung, nach Sinn.

„Mobilität ist keine Ware“, sagt er im Podcast. „Sie ist Teil unserer Gesellschaft. Und wenn wir das vergessen, verlieren wir mehr als nur Kunden – wir verlieren Vertrauen.“

Es ist einer dieser Sätze, die bleiben. So wie dieser Mann. Daniel Goeudevert. Ein Mann, der nicht auf die Bühne wollte – aber zu einem der wenigen wurde, die man nicht mehr vergisst.


 

Highlights Teil 1: Vom Citroën-Verkäufer zum Konzernlenker

  • Wie Daniel Goeudevert vom Literaturlehrer zum erfolgreichsten Citroën-Händler Frankreichs wurde

  • Seine Philosophie: Menschen begegnen, nicht überzeugen

  • Frühe Führungsverantwortung bei Citroën Schweiz – mit 26 Jahren

  • Einstieg bei Renault – und ein erstes Desaster mit dem R14

  • Goeudeverts klare Haltung zu Markenführung, Marketing und Moral

  • Der Wechsel zu Ford Deutschland: Vertrauen statt Status

  • Warum Karriere für ihn nie Ziel, sondern Nebenwirkung war


Daniel Goeudevert Teil 1 – jetzt hören:


Alternativ anhören auf: Spotify | Apple Podcasts | YouTube


 

Highlights Teil 2: Verantwortung in einer orientierungslosen Branche

  • Goeudevert bei VW: Von der Produktverantwortung zum Vorstandsvorsitz der Marke

  • Die Vision eines kleinen, elektrischen Stadtfahrzeugs – zusammen mit Nicolas Hayek

  • Warum seine Ideen zu E-Mobilität und Infrastruktur als „zu früh“ galten

  • Kritik am PS-Wettrüsten, Shareholder-Value und technischer Arroganz

  • Gespräche mit Politik, EU und Industrie über Nachhaltigkeit & Verantwortung

  • Warum er sich konsequent gegen rein finanzielle Zielsysteme stellte

  • Goeudeverts Blick auf die Mobilitätszukunft: leise, einfach, gemeinschaftlich


Daniel Goeudevert Teil 2 – jetzt hören:


Alternativ anhören auf: Spotify | Apple Podcasts | YouTube


 

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